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Was, wenn deine Unternehmensführung mitten in der Pubertät steckt?

Was Reifung in der Führung bedeutet - eine Einladung, mit Bill Plotkins Entwicklungslandkarte neu hinzuschauen.


Vier Männer in Anzügen in einem Büro feiern mit Pizza und Cola. Einer steht auf dem Tisch, ein anderer macht einen Handstand.

Stell dir vor, deine Organisation wäre ein Mensch. Nicht die polierte Version aus Imagefilm und Strategiepräsentation, sondern der echte innere Zustand. Würdest du sagen: Das ist eine weise Erwachsene? Oder eher ein ziemlich geschickter Teenager – sozial smart, leistungsorientiert, auf Wirkung bedacht … aber innerlich noch auf der Suche?


Vielleicht wirkt das etwas provokant.

Aber wenn ich mich umschaue, kann ich oft folgendes beobachten: Entscheidungen und Strategien werden oft aus einer Perspektive getroffen, die stark von Sicherheitsbedürfnissen, Statusdenken oder kurzfristigen Erfolgszielen geprägt ist. Doch genau diese Muster können uns daran hindern, nachhaltigere und ganzheitlichere Ansätze zu verfolgen – Ansätze, die essenziell für langfristige Entwicklung und ein gesundes Gleichgewicht in Organisationen sind.


In letzter Zeit tauche ich tiefer in die Arbeit von Bill Plotkin ein. Plotkin ist Psychologe, Wildnis-Guide und Gründer des Animas Valley Institute; er verbindet Tiefenpsychologie, Naturerfahrung und kulturelle Erneuerung. In seinem Buch "Nature and the Human Soul" entwirft er ein Entwicklungsmodell, das die menschliche Reifung als zyklische Reise durch acht lebensphasische Archetypen beschreibt – von früher Kindheit bis zur weisen Reife – und zeigt, wie jede Phase eigene Gaben hat, die integriert werden wollen. Diese Landkarte hat mich dazu inspiriert, sie als Perspektive für mein eigenes Verhalten zu nutzen und Führungsstile sowie Organisationskulturen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.


Aus Sicht dieser öko-psychologischen Entwicklung nach Bill Plotkin – könnte man sagen, dass viele Organisationen (und ihre Führungsteams) aus frühen bis späten Adoleszenzmustern heraus agieren.

Und das hat Folgen: Kurzfristorientierung, Selbstwert aus Rolle und Status, Veränderungs-Hopping statt tiefem Wandel, Purpose als Marketing statt als gelebte Ausrichtung.


Mir ist es wichtig zu betonen, dass dies keine Abwertung ist. In Bill Plotkins Entwicklungsmodell haben alle Phasen Sinn und Wert. Ohne die lebendige Neugier des „Entdeckers“ (Phase 2) oder die Identitäts- und Zugehörigkeitsarbeit der frühen und späten Adoleszenz (Phasen 3–4) gäbe es keine Differenzierung, keine Innovation, keinen Mut zur Sichtbarkeit. Es geht mir nicht darum, irgendwas „Unreifes“ schlechtzureden. Mein Anliegen ist es, ehrlich hinzuschauen, wo wir stehen, ob das zu unseren aktuellen Herausforderungen passt – und was als nächster Schritt stimmig wäre. Reifung heißt nicht „frühere Phasen loswerden“, sondern sie integrieren – damit sie uns dienen, statt unbewusst steuern.




💫 Kurzer Überblick über die 8 Entwicklungsphasen


Diagramm der acht Seelenzentrierten Entwicklungsstadien des Menschen, mit Texten zu Aufgaben, Geschenken und Schwerpunkten in verschiedenen Lebensphasen.
Aus dem Buch, Nature and the Human Soul, Bill Plotkin



Das Modell von Bill Plotkin beschreibt acht natur- und seelenzentrierte Lebensphasen, die die Zyklen und Qualitäten der natürlichen Welt in der menschlichen Entwicklung hervorheben. Der Rahmen dient als Leitfaden, um eine reifere und erfüllendere menschliche Erfahrung zu fördern, indem persönliches Wachstum mit Umweltbewusstsein integriert wird.





  1. Das Unschuldige Kind im Nest (frühe Kindheit): Sicherheit, Bindung, grundlegendes Vertrauen.

  2. Die/der Entdecker:in im Garten (mittlere Kindheit): Staunen, Forschen, Spiel mit der Welt.

  3. Der/die Schauspieler:in in der Oase (frühe Adoleszenz): Zugehörigkeit, Persona, soziale Rollen.

  4. Der/die Wandernde in der Kokonphase (späte Adoleszenz): Identitätskrise, Sinnsuche, Loslösung von geliehenen Identitäten.

  5. Der/die Seelen-Apprentice an der Quelle (frühes Erwachsensein): Hingabe an das eigene Geschenk, Integration von Berufung & Beitrag.

  6. Der/die Handwerker:in im Wilden Obstgarten (reifes Erwachsensein): Kultivierung, langfristiges Nähren von Systemen, „Gärtnern“ von Kultur.

  7. Der/die Meister:in im Hain der Ältesten (frühe Altersphase): Weiser Dienst, Hüten von Übergängen, Mentoring.

  8. Der/die Weise in der Berggrotte (späte Altersphase): Hüten des größeren Zusammenhangs, Arche der Erinnerung.


Wichtig: Das ist kein Leistungs- oder Werturteil, sondern eine Entwicklungslogik. Allerdings betont Plotkin - und das erscheint mir sehr nachvollziehbar: Viele moderne Gesellschaften fördern die Verlängerung oder Fixierung in den Phase 3–4 (Persona-Optimierung, Performance, Selbstvermarktung) – und in der Konsequenz bauen wir Organisationen und Institutionen, die genau das reproduzieren.



Wie zeigt sich „jugendliche“ Führung in Organisationen?


Wenn wir diese Landkarte auf Führung legen, tauchen vertraute Bilder auf: Da ist die Entdecker-Energie, spielerisch und neugierig – perfekt, wenn wir Neues brauchen. Da ist die Adoleszenz, in der wir Zugehörigkeit und Persona schärfen – das gibt Drive und Sichtbarkeit. Als junge Erwachsene probieren wir Verantwortung aus, testen Rollen, wollen beitragen. Reife Erwachsene sind im eigenen Beitrag verankert, denken langfristig und sehen das System. Und dann gibt es die weisere Reife, die Übergänge hütet, dem Ganzen dient und mit mehr Gelassenheit handelt.


„Jugendliche Führung“ zeigt sich häufig darin, dass Entscheidungen impulsiv und reaktiv getroffen werden, ohne wirklich innezuhalten oder die Tragweite der Weichenstellungen tiefgehend zu durchdringen. Oft stehen Status, Sichtbarkeit und die große Inszenierung im Vordergrund, die als treibende Motivationsfaktoren eine starke Anziehungskraft ausüben. Konflikte werden oft vermieden oder eskalieren, anstatt gemeinsam gelöst zu werden. Kurzfristiges Denken dominiert – Hauptsache mehr, aber nicht unbedingt besser oder reifer. Die Identität wirkt instabil: neue Labels tauchen auf, doch ein konsequentes Durchführen und -halten fehlt häufig. Das ist nicht unbedingt „falsch“, aber es wird problematisch, wenn diese Einseitigkeit langfristig die Kontrolle übernimmt.



Begrenzende Muster die in der Adoleszenz von Organisationen auftreten können:


  • Persona statt Substanz: Führung wird als Bühne erlebt. Die richtige Story, das perfekte Slide-Deck, das souveräne Auftreten – oft wichtiger als echte innere Klarheit. Oft zählt der äußere Auftritt mehr als der eigentliche Inhalt. Die Fassade wird gepflegt, während die Tiefe auf der Strecke bleibt.


  • Status als Ersatz für Selbstwert: Titel, Sitz im Steering Committee, Nähe zur Geschäftsführung = Identitätsanker. Der Verlust von Titeln oder Positionen wird als persönlicher Untergang empfunden, weil der innere Wert daran geknüpft ist.


  • Purpose als Marketingstrategie: Leitbilder und Visionen betonen Sinn und Werte, der Unternehmenszweck hängt an der Wand – operative Entscheidungen folgen aber vor allem Quartalsdruck und internen Rivalitäten.


  • Oberflächliche Transformation: reaktives Verändern steht im Vordergrund, ein neuer Trend jagt den nächsten, einhergehend mit ständigem Reframing („Next Transformation Wave“), ohne dass wirklich unbearbeitetes Altes losgelassen wird.


  • Konfliktvermeidung oder Überdramatisierung: Entweder „harmoniebedürftige“ Meetings mit Nachbesprechungen im Flurfunk – oder Machtspiele im Verdeckten. Probleme werden entweder ignoriert und unter den Teppich gekehrt oder dramatisch inszeniert. Echte, konstruktive Auseinandersetzungen fehlen.


  • Dauerhafter Aktionismus: Projekte und Initiativen gibt es zuhauf, doch es fehlt an Reflexion, Nachhaltigkeit und langfristiger Wirkung.


  • Wir-gegen-die-Denken: Wir vs. die Anderen (Konkurrenten, Mitarbeitende, Gewerkschaft, IT, HR …). Der Blick fürs große Ganze und das Verständnis für das größere Ökosystem bleiben oft auf der Strecke.


  • Innovation als Image: Hackathons, Labs, „Fail Fast“ – aber kaum strukturelle Anpassung (Kompetenzmodelle, Entscheidungsrechte, Incentives).



Warum viele Organisationen in der „Pubertät“ stecken bleiben


Oft scheinen Organisationen in ihrer Entwicklung zu verharren, ohne den nächsten Reifeschritt zu machen. Doch warum ist das so? Hier sind einige Gründe:


1. Anreizsysteme fördern kurzfristiges Denken

Viele Unternehmen belohnen schnelle Ergebnisse, anstatt langfristige Strategien zu honorieren. Das führt dazu, dass nachhaltige Entwicklung oft auf der Strecke bleibt.

Systemische Verstärker: Incentives wie Boni, KPIs und kurzzyklische Bewertungen fördern kurzfristige Persona-Optimierung. Narrative wie „Schnell, agil, disruptiv“ dominieren gegenüber „reif, nährend, nachhaltig“.


2. Aus- & Weiterbildung legt Fokus auf Tools statt auf innere Entwicklung

Die Weiterbildung konzentriert sich häufig auf technische Fähigkeiten oder Methoden, während die persönliche Entwicklung – wie Selbstreflexion und emotionale Intelligenz – vernachlässigt wird.

Systemische Verstärker: Sozialisation in Business-Schulen wo häufig Strategie & Finance früher gelehrt wird als Selbstführung & Innere Arbeit.


3. Fehlende Übergangsrituale

Der Wechsel von einer Fachrolle in eine Führungsposition wird oft nicht bewusst gestaltet. Ohne klare Rituale oder Unterstützung bleibt der Übergang holprig und unvollständig.


4. Chronische Überlastung

Dauerhafte Überforderung lässt keine Zeit für Reflexion und Integration neuer Erfahrungen. Es fehlt die Möglichkeit, Erlerntes „reifen“ zu lassen, wie es in einem Kompostierungsprozess geschieht.


Um Organisationen aus dieser Phase herauszuführen, braucht es gezielte Maßnahmen, die sowohl die Kultur als auch die Strukturen nachhaltig verändern.



Was wäre die reife Weiterentwicklung?


Reifer integrierte Führung fühlt sich anders an. Die eigene Identität speist sich mehr aus dem Beitrag als aus Rolle und Rang. Entscheidungen betrachten mehrere Zeithorizonte – was braucht das nächste Quartal, was das nächste Jahr, was die nächste Generation? Konflikte werden als Rohstoff genutzt: früh benennen, gemeinsam verarbeiten. Kultur wird bewusst gepflegt: Beziehungen, Übergänge, Regeneration bekommen Aufmerksamkeit. Der Blick geht über die Organisation hinaus – Kunden, Mitarbeitende, Partner, Erde, Community gehören zusammen. Und es gibt Raum für Nichtwissen: kurz langsamer werden, um klarer zu sehen.



Woran erkennt man reife, integrierte Führung?

Es gibt einige wesentliche Merkmale, die zeigen, wie Führung auf einer tieferen Ebene funktioniert und nachhaltigen Erfolg ermöglicht (entsprechend Phase 5-6 in Plotkins Modell).


1. Identität durch Beitrag statt Titel:

Wirklich reife Führung definiert sich nicht durch ihren Rang oder ihre Position, sondern durch den Wert, den sie schafft. Es geht nicht um den Titel auf der Visitenkarte, sondern um Fragen wie: Wer bin ich jenseits meiner Rolle? Was möchte ich bewirken? Was ist mein Beitrag für das Ganze? Der Fokus liegt hier darauf, einen Beitrag zu leisten und einen positiven Unterschied zu machen.


2. Entscheidungen mit Weitblick treffen:

Entscheidungen treffen wir oft impulsiv oder kurzfristig. Aber was, wenn wir sie mit einem „Mehr-Horizont“ betrachten? Kurzfristige Erfolge sind wichtig, aber sie reichen nicht aus. In einem reiferen Stadium wird weiter und langfristiger gedacht – nicht nur in Quartalen, sondern in Jahren, manchmal sogar in Generationen. Es wird abgewägt, welche langfristigen Auswirkungen Entscheidungen auf das Unternehmen, die Menschen und die Umwelt haben könnten. Dieser Weitblick zeigt Verantwortungsbewusstsein und nachhaltiges Denken.


3. Konflikte als Wachstumschance sehen:

Konflikte sind unvermeidlich, aber eine reife Führungshaltung betrachtet sie nicht als Hindernis, sondern als Möglichkeit zur Entwicklung. Spannungen und Konflikte sind nicht das Ende, sondern oft der Anfang von Entwicklung. Sie scheuen sich nicht davor, Probleme früh anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Diese Haltung fördert nicht nur Klarheit, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Team.


4. Beziehungen bewusst pflegen:

Beziehungen sind wie ein Garten – sie brauchen Pflege, Aufmerksamkeit und Geduld. Reife Organisationen investieren Zeit und Energie, um die Verbindungen innerhalb und zwischen Teams, ihren Partnern und anderen Stakeholdern zu stärken. Es wird darauf geachtet, was Verbindungen stärkt und was sie erschöpft. Rituale, Übergänge und gemeinsame Lernprozesse geschehen nicht nur beiläufig, sondern werden bewusst gestaltet.


5. Das große Ganze im Blick behalten:

Eine reife Führungsperspektive sieht das Unternehmen nicht isoliert, sondern als Teil eines größeren Ökosystems. Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten, die Umwelt und die Gemeinschaft – alles ist miteinander verbunden. Diese ganzheitliche Perspektive hilft, Entscheidungen zu treffen, die allen Beteiligten zugutekommen.


6. Raum für Nichtwissen schaffen:

Niemand hat alle Antworten, und das ist völlig in Ordnung. Es braucht Mut, zu sagen: „Ich weiß es gerade nicht.“ Dieser Raum für Nichtwissen kann eine kollektive Weisheit freisetzen, wenn wir gemeinsam spüren, erkunden und neue Lösungen entdecken. Reife Unternehmen und Institutionen nehmen sich und geben bewusst Zeit, um innezuhalten, nachzudenken und neue Perspektiven zu gewinnen. Sie schaffen Raum für Reflexion und laden dazu ein, auch mal etwas nicht zu wissen – denn genau hier beginnt oft die Entdeckung neuer Lösungen.


7. Fokus auf Talente und Stärken:

Menschen sind mehr als Ressourcen. Sie tragen einzigartige Potenziale in sich, die entdeckt und gefördert werden wollen. Wenn wir Menschen in ihrem Kern erkennen, können sie aufblühen und ihr Bestes geben.


Führung die in reiferen Entwicklungsmustern verankert ist, ist mehr als nur das Verwalten von Aufgaben. Es ist eine Kunst, die richtige Balance zwischen Menschlichkeit, Vision und Verantwortung zu finden. Sie inspiriert andere, über sich hinauszuwachsen, und schafft eine Grundlage, auf der nachhaltiger Erfolg gedeihen kann.


Wichtig: Frühere Phasen bleiben als Ressource verfügbar. „Gärtner:innen“ brauchen weiterhin lebendige Entdecker-Energie. Ältere Reifephasen ohne gesunde Spielerfahrung wirken oft asketisch oder trocken.


🧪 Einladung zu einem kleinen Selbst-Check: Aus welcher Entwicklungslogik führst du häufiger?


Beantworte spontan (keine Schönfärbung):


  1. Wenn Kritik kommt, denke ich zuerst an:

    1. Mein/Unser Image

    2. Was will hier durch uns lernen


  2. Strategiearbeit fühlt sich an wie:

    1. Story für Stakeholder

    2. kollektives Lauschen auf das, was entstehen will


  3. In Entscheidungsdruck neige ich zu:

    1. Tempo erhöhen

    2. zwei Gänge runter – kurz innehalten


  4. Anerkennung erhalte ich vor allem durch:

    1. Sichtbarkeit

    2. stille Wirkung über Zei


  5. Konflikte empfinde ich meistens als:

    1. nervig, verzögernd

    2. Rohstoff für Klarheit und Kulturvertiefung


Wenn du häufiger bei der Variante a) landest: Da ist viel lebendige Adoleszenz-Energie am Werk. Super! Bündel sie bewusst. Wenn öfter die Variante b) zutrifft: Diese Reifemuster sind wertvoll – weiter pflegen.



Reifung entsteht durch das Entstehen lassen 🌱


Reifung ist kein Prozess, den man wie ein Projekt planen oder managen kann. Vielmehr ähnelt sie der Pflege eines Gartens: beobachten, nähren, ernten, ruhen – und danach wieder von vorn beginnen. Jeder dieser Schritte hat seinen eigenen Wert und trägt auf seine Weise zum gesamten Zyklus bei.


Die wahre Kunst liegt darin, jede Phase bewusst wahrzunehmen und aktiv zu integrieren. Es geht darum, nicht einfach passiv von den Gegebenheiten gesteuert zu werden, sondern selbst die Verantwortung zu übernehmen. So wie ein Gärtner den Boden kennt, ihn pflegt und ihm genau das gibt, was er braucht, um Früchte zu tragen, so sollten wir auch mit unserer eigenen Reifung umgehen.


Oft neigen wir dazu, bestimmte Phasen – sei es das Warten, das Ruhen oder gar das Beobachten – als weniger wichtig zu betrachten. Doch gerade diese Momente sind essenziell, um langfristig wachsen zu können. Sie sind die Grundlage, auf der alles Weitere aufbaut. Ohne eine bewusste Pflege des Bodens wird keine Ernte möglich sein.


Es ist ein Kreislauf, der uns lehrt, Geduld zu haben, loszulassen und gleichzeitig aktiv zu bleiben. Reifung bedeutet, jedem Abschnitt seinen Raum zu geben, ohne ihn zu überstürzen oder zu überspringen. Wenn wir lernen, diesen natürlichen Rhythmus anzunehmen, können wir nicht nur wachsen, sondern auch die Früchte unserer Arbeit und Entwicklung wirklich genießen.


Das Leben selbst erinnert uns daran, dass jede Phase ihren Platz hat – und dass es unsere Aufgabe ist, sie mit Achtsamkeit und Hingabe zu gestalten. Reifung ist kein Ziel, das wir erreichen, sondern ein fortlaufender Prozess, der uns immer wieder neu herausfordert und bereichert.


Wenn du / ihr Lust bekommen habt, euch bewusster damit auseinanderzusetzen habe ich hier ein paar Übung die du alleine oder zusammen im Team durchführen kannst. Sie helfen der bewussten Auseindersetzung und Reifung.



Impulse für dich alleine


🪞 Persona-Inventur

Schreibe drei dominante Rollen-Sätze: „Ich muss … sein, damit ich dazugehöre.“

Frage dich: Was schützt jede Rolle? Was hält sie fern? Atme mit dem Körpergefühl, das auftaucht. Nicht lösen – nur bezeugen.


🪑 Sit Spot (Natur-Awareness)

10–15 Minuten täglich (oder 2x/Woche), still an denselben Ort (Fensterbank mit Blick auf Baum reicht). Nicht an „Strategie“ denken, sondern wahrnehmen: Geräusche, Bewegungen, Gerüche, Emotionen beobachten. Frag dich: Was hat sich in mir verändert? Die Natur hilft dabei, aus dem engen Kreis der eigenen Persona herauszutreten und eine Verbindung zum größeren Ganzen herzustellen.


🎯 Entscheidungs-Ritual: 3 Atemzüge + 3 Horizonte

Vor einer wichtigen Entscheidung: 3 bewusste Atemzüge nehmen. Dann spontan notieren: kurzfristige Wirkung, Wirkung auf Jahres-Perspektive, Wirkung auf Menschen/Ökosystem in 5–10 Jahren. Erst dann diskutieren.


👤 Schatten-Satz

Wenn du dich über jemand anderen aufregst, vollende: „Ich verurteile X dafür, dass …“ und dann „Der Teil in mir, der das auch kennt, ist …“. Moralische Überhöhung wird so zu einem Bestandteil des Lernprozesses.


🧧 Beitrag statt Karrierefrage

Frage dich für das nächste Halbjahr: Welcher Beitrag (nicht: welches Projekt) möchte durch mich ins System kommen? Wen oder was nährt er? Welche alte Aktivität muss "sterben", damit Raum frei wird?



Impulse für euch als Team / Organisation


👣 Body-Check-In

Zu Beginn eines wichtigen Meetings: 30 Sekunden Stille und danach teilt jede Person in einem Wort mit, wie sie sich fühlt: „So bin ich da.“ Das Ergebnis? Mehr Präsenz, weniger Reaktivität.


⭕️ Soulful Retrospektive (z.B. monatlich)

Nicht nur: Was ist passiert? Sondern: Was wollte sich durch uns ausdrücken, das wir nicht zugelassen haben? Was wollte abgeschlossen werden, das wir krampfhaft festgehalten haben?


🗺️ Ökosystem-Map erweitern

Denkt nicht nur an Kunden und Lieferanten. Bezieht auch die Erde/Ressourcen, die Gemeinschaft, potenzielle zukünftige Mitarbeitende und betroffene Nicht-Kunden mit ein. Welche Entscheidungen übergehen derzeit deren Perspektiven?


💧 Role Ecology Review

Statt nur auf die klassischen Job Descriptions zu schauen: Welche wiederkehrenden „Energieströme“ prägen eigentlich unser Team? Aufgaben wie Konfliktschlichtung, Kulturpflege, Storytelling oder Regeneration sind oft unsichtbar, aber essenziell. Wer trägt diese Rollen tatsächlich? Gibt es vielleicht Ungleichgewichte, die wir ausbalancieren sollten? Und noch wichtiger: Werden diese oft unterschätzten Pflegearbeiten wirklich anerkannt und wertgeschätzt?


🧫 Entscheidungs-Experiment

Wählt einen wiederkehrenden Entscheidungstyp und implementiert für zwei Monate eine integrative Entscheidungslogik: Vorschlag machen – Einwände sammeln – gemeinsam verbessern – Entscheidung treffen. Beobachtet dabei, wie sich das Gefühl von Verantwortung und Eigeninitiative im Team verändert.


🍂 Übergangsritual

Wenn jemand eine Rolle verlässt: Eine kurze Reflexion im Team – welche Beiträge hat diese Person geleistet? Was wird weiterhin Bestand haben? Was endet bewusst mit ihrem Weggang? Ein oft unterschätzter Ansatz, um „kulturelle Phantomschmerzen“ zu vermeiden.


📋 Cultural Debt List

Analogie zu Tech Debt: Kulturelle Schulden sind vergleichbar mit technischem Schulden: Sie entstehen durch angesammelte Spannungen, ungelöste Verhaltensmuster oder Dysbalancen zwischen den kommunizierten Werten und der tatsächlich gelebten Praxis. Diese Schulden können schleichend Energie, Vertrauen und die Fähigkeit zu lernen beeinträchtigen. Es handelt sich dabei nicht um „Fehler“, sondern um die Konsequenzen vernachlässigter kultureller Pflegearbeit.


Leitfaden "Cultural Dept List"


Hier kannst du dir eine genaue Anleitung herunterladen, wie ihr die Erstellung und Auflösung der 'Cultural Dept List' durchführen könnt.





Achtung, Fallen auf dem Weg zur Weiterentwicklung


Es gibt einige Stolpersteine, die uns begegnen können, wenn wir uns auf den Weg machen, mehr Sinn und Tiefe in unser persönliches oder berufliches Leben zu integrieren. Hier sind ein paar Gedanken dazu, wie wir diese Herausforderungen erkennen und vermeiden können:


Die schnelle Adoption von Purpose-Sprache ohne innere Arbeit ist oft nur ein oberflächlicher Rebrush. Es klingt vielleicht toll, wenn ein Team plötzlich von „Sinn“ und „Werten“ spricht, aber ohne echte Reflexion bleibt das Ganze oft an der Oberfläche. Es wird zu einem kosmetischen Upgrade, das wenig mit echter Veränderung zu tun hat.


Ein weiteres Beispiel ist das Abhaken von Konzepten wie „Natur-Reflexion“ als Checkliste - „Wir machen jetzt den Sit Spot, weil es halt draufsteht.“ Wenn wir solche Praktiken nur mechanisch ausführen, sie aber nicht wirklich in unser (Arbeits-)Leben integrieren, bleibt es ein weiteres „Persona-Kunststück“. Es sieht gut aus, fühlt sich aber unauthentisch an.


Auch die Pathologisierung anderer – etwa durch Aussagen wie „Die da oben sind unreif“ – führt uns nicht weiter. Solche Urteile verstärken nur die Trennung zwischen uns und anderen. Reifung hingegen erfordert mitfühlende Selbstehrlichkeit. Es geht darum, sich selbst zu hinterfragen, ohne andere zu verurteilen.


Ein besonders wichtiger Punkt: Wir können die Phase der Adoleszenz nicht einfach überspringen. In der persönlichen Entwicklung, aber auch in Teams oder Organisationen, ist es essenziell, die Phasen 3 und 4 (wie auch immer man diese definiert) zu durchlaufen. Sie dürfen nicht verleugnet werden. Stattdessen sollten sie bewusst integriert werden, um echte Reife zu erreichen.


Zusammengefasst: Echte Transformation erfordert Zeit, Geduld und eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst. Es geht nicht darum, schnell ein neues Image zu kreieren oder andere zu bewerten, sondern darum, authentisch zu wachsen. Wenn wir die Fallen erkennen, können wir sie umgehen – und uns auf den Weg zu tieferer Verbundenheit und Sinnhaftigkeit machen.



Wann externe Unterstützung sinnvoll ist


Manchmal geraten Teams oder Organisationen in Situationen, in denen externe Begleitung den entscheidenden Unterschied machen kann. Besonders dann, wenn Herausforderungen immer wiederkehren und sich scheinbar im Kreis drehen.


Zum Beispiel, wenn Konflikte nicht gelöst, sondern ständig neu aufgeworfen werden. Anstatt klare Übergänge zu schaffen, bleibt man in alten Mustern stecken. Das kann erschöpfend sein – für Einzelne wie für das gesamte Team. Dieses ständige Grundrauschen der Überforderung macht es schwer, neue Energie zu finden.


Auch in der Selbstorganisation können Stolpersteine auftreten: Wenn Prozesse, die eigentlich auf Eigenverantwortung basieren sollten, plötzlich von verdeckten Machtstrukturen dominiert werden. Hier kann eine externe Perspektive helfen, Klarheit zu schaffen und Dynamiken offenzulegen.


Und dann gibt es noch die Strategiezyklen: Pläne werden geschmiedet, aber wenig davon bleibt langfristig verankert. Ein neutraler Blick von außen kann helfen, Prioritäten zu setzen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.


Externe Begleitung bringt frischen Wind und kann entscheidend dazu beitragen, Blockaden zu lösen und wieder in einen positiven Flow zu kommen.


Du hast Fragen?

Wenn du Lust hast, stehe ich dir gerne ganz unverbindlich für ein Gespräch zu verfügung, um deine Fragen zu beantworten oder uns kennenzulernen.


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❓Reflexionsfragen zum Mitnehmen


  1. Was in meiner aktuellen Führungspraxis fühlt sich eher nach Image-Management als nach Beitrag an?

  2. Welche Entscheidung der letzten 3 Monate hätte ein Reife-Schritt sein können, wenn wir uns mehr Zeit für Presencing genommen hätten?

  3. Wo verwechsle ich Tempo mit Qualität?

  4. Was will in meinem Verantwortungsbereich vielleicht enden – und ich halte es aus Gewohnheit?

  5. Wer in unserem System agiert bereits als „Kultur-Hüter:in“, ohne dass es anerkannt ist?



Zum Schluss


Die Frage ist nicht: „Bin ich / Sind wir reif genug?“ Sondern: „Bin ich / sind wir bereit, wahrzunehmen, wo ich /wir stehe(n) – und den nächsten ehrlichen Schritt zu machen?“ Führung, die über die Pubertät hinauswächst, wird weniger glamourös – und gleichzeitig souveräner, ruhiger, wirksamer. Sie baut nicht nur Produkte oder Prozesse, sondern Lebensräume für Menschen und ihren Beitrag.


Vielleicht ist der erste Schritt heute: 3 Atemzüge. Und ein stilles inneres „Okay – ich schaue jetzt hin.“ Reifung ist kein Sprint und kein KPI. Eher wie Bodenpflege: Beobachten, pflegen, ausruhen lassen, ernten – und wieder von vorn.



PS: Falls jemand das „esoterisch“ nennt: Einfach die Cultural Debt Runde ausprobieren. Erfahrbare Energiegewinne sind meist das überzeugendste Argument 😉



 
 
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