Neugier entkräftet Angst: Wie ein 'Reframing' Innovationen und Veränderung beflügeln kann
- Bastian Lindberg
- 12. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Kennst du das? Da steht eine wichtige Veränderung an, und plötzlich meldet sich die Angst zu Wort – nicht als schüchternes Flüstern, sondern als lauter Bedenkenträger mit Megafon. "Halt, stopp! Das wird nie funktionieren!" ruft sie, während deine Veränderungsbereitschaft leise seufzend in der Ecke sitzt.
Keine Sorge, du bist in guter Gesellschaft! Selbst die mutigsten Menschen kennen diesen inneren Dialog. Doch was wäre, wenn wir Angst nicht als lästigen Störenfried, sondern als verkannten Verbündeten betrachten würden?
Die Angst transformieren: Ein Praxisbeispiel mit Aha-Effekt
Im Rahmen von Transformations-Prozesses zeigen sich meistens Widerstände und Ängste im Managament und bei den Mitarbeitenden. Mit dem folgenden Beispiel möchte ich dir zeigen, wie man diese ernst nehmen und in Potentiale übersetzen kann.

Die CEO eines mittelständischen Handelsunternehmens stand vor einer Digitalisierungsentscheidung, die sich anfühlte wie der Sprung von einer Klippe – ohne zu wissen, ob unten Wasser oder Felsen warten.
"Ich habe Angst, dass wir mit dieser Umstellung überfordert sind und unsere Kernkompetenzen verlieren," gestand sie in unserem Anamnese-Gespräch. Ihre Stimme klang dabei, als würde sie zugeben, heimlich die Lieblingsserie ihrer Teenager zu schauen.
Statt nun mit motivierenden Sprüchen um die Ecke zu kommen ("No risk, no fun!"), probierten wir etwas anderes:
den "Angst-Reframing"-Ansatz – eine Art Perspektivwechsel mit Überraschungseffekt.
Schritt 1: Die Angst beim Namen nennen (und ihr nicht ausweichen)
Wie sagt man so schön im Englischen: "Name it to tame it". Was so viel heißt wie, benenne es, um es zu zähmen.
Also begannen wir zu erst damit, dass sie ihre konkreten Ängste aufschrieb – nicht hastig auf Notizzettel, sondern in aller Ruhe auf schönes Papier. Als hätte die Angst ein Recht auf Wertschätzung:
"Ich befürchte, dass langjährige Mitarbeiter nicht mitkommen werden."
"Ich sorge mich, dass wir unsere persönliche Kundenbeziehung verlieren."
"Ich habe Angst, dass wir viel Geld investieren und dann scheitern."
Allein das Aufschreiben veränderte etwas. Die Angst verlor ihre nebulöse Übermacht und wurde greifbar – wie ein Gespenst, dem man plötzlich einen lustigen Hut aufsetzt.
Schritt 2: Den Schatz in der "Angst-Truhe" entdecken
Für jede Angst stellten wir die magische Frage: "Was ist dir daran so wichtig?" Und siehe da – hinter jeder Angst versteckte sich ein wertvoller Schatz:
"Ich sorge mich um meine Mitarbeiter, weil mir ihre Entwicklung und ihr Wohlbefinden wichtig sind." (Bedürfnis: Fürsorge!)
"Ich befürchte den Verlust von Kundenbeziehungen, weil mir authentische Verbindungen und Vertrauen wichtig sind." (Bedürfnis: Beziehungsqualität!
"Ich habe Angst vor Fehlinvestitionen, weil mir verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen wichtig ist." (Bedürfnis: Verantwortungsbewusstsein!)
Die Klientin schaute überrascht auf ihre Liste. "Moment mal," sagte sie, "das klingt ja fast wie mein Wertekompass als Führungskraft!"
Eigentlich gar nicht so überraschend. Denn Angst ist oft nichts anderes als ein übermotivierter Werteschützer – wie eine Großmutter, die aus Sorge um die Gesundheit ständig zum Essen nötigt. Wenn wir allerdings nur die Angst sehen, erkennen wir oft nicht das zugrunde liegende Bedürfnis.
Schritt 3: Von Angstfragen zu Neugierfragen – der Zaubertrick
Nun kam der eigentliche Perspektivwechsel. Aus jedem Wert formulierten wir neugierige Fragen – und plötzlich verwandelte sich die Energie vollständig:
"Wie könnten wir den Digitalisierungsprozess so gestalten, dass er die Stärken und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter fördert?" (Statt: Wie verhindern wir, dass Mitarbeiter überfordert sind?)
"Welche neuen Möglichkeiten für tiefere Kundenbeziehungen könnten durch Digitalisierung entstehen?" (Statt: Wie verhindern wir den Verlust persönlicher Kundenbeziehungen?)
"Wie könnten wir in kleinen, messbaren Schritten vorgehen, um Ressourcen klug einzusetzen?" (Statt: Wie verhindern wir teure Fehlinvestitionen?)
Es war, als hätten wir den Raum neu ausgerichtet – von einer Bunkermentalität zu einem Entdeckerlabor.
Schritt 4: Kleine Experimente statt große Pläne
Gemeinsam mit ihrem Team entwickelten wir nun drei kleine Experimente – nicht als finale Lösungen, sondern quasi als Forschungsreisen:
Ein "Digital Buddy"-Programm, bei dem digital-affine und erfahrene Mitarbeiter Tandems bildeten (mit überraschenden Paarungen wie der 62-jährigen Vertriebsleiterin und dem 24-jährigen Werkstudenten)
Eine personalisierte digitale Kundenkommunikation, die von den bestehenden Kundenbetreuern mitgestaltet wurde (mit der Frage: "Wenn deine Beziehung zu deinen Kunden eine App wäre – wie würde sie aussehen?")
Ein iteratives Implementierungsmodell mit klaren Messpunkten nach jedem Schritt (nach dem Motto: "Kleine Happen statt Elefantenverdauung")
Die überraschende Wendung
Sechs Monate später traf ich mich mit der Kundin wieder – mit einem Lächeln, das nicht mehr skeptisch, sondern verschmitzt wirkte.
"Das Reframing hat alles verändert," berichtete sie. "Statt in Angststarre zu verfallen, haben wir begonnen, neugierig zu experimentieren. Das Verrückteste: Einige unserer ältesten Mitarbeiter wurden zu den größten Innovationstreibern, nachdem sie merkten, dass ihre Erfahrung wertgeschätzt wird. Einer sagte mir: 'Endlich fragt mal jemand, wie wir die Digitalisierung gestalten wollen, statt sie uns einfach überzustülpen.'"
Das Team entwickelte daraufhin eine regelmäßige "Angst-zu-Neugier"-Praxis: In monatlichen Reflexionsrunden werden Bedenken offen angesprochen, die dahinterliegenden Werte gewürdigt und gemeinsam neugierige Fragen entwickelt und dann auf ihr Potential hin priorisiert und in Experimente umgemünzt.
An zentraler Stelle und online gibt es nun eine "Von Angst zu Neugier"-Tafel – nicht als hochtrabendes Change-Management-Tool, sondern als spielerische Einladung zur Perspektivverschiebung. Jeder darf dort anonym Ängste notieren, die dann gemeinsam in Werte und neugierige Fragen transformiert werden.
"Letzte Woche hat jemand geschrieben: 'Ich habe Angst, dass wir mit all der Digitalisierung unseren Humor verlieren'", erzählte die Kundin schmunzelnd. "Daraus wurde die Frage: 'Wie könnten wir digitale Tools nutzen, um noch mehr Spaß bei der Arbeit zu haben?' Das Ergebnis war ein Slack-Kanal nur für 'Fuck ups' und ein virtuelles Feierabendbier mit Quizz, was überraschenderweise besser besucht ist als unsere früheren Präsenz-Events."
Dein persönlicher Angst-Neugier-Wandler
Möchtest du diesen Perspektivwechsel selbst ausprobieren? Hier eine kleine Übung für deine nächste Kaffee-Pause:
Notiere eine berufliche Angst, die dich gerade begleitet
Frage dich: "Was ist mir daran so wichtig? Welcher Wert steht dahinter?"
Formuliere aus diesem Wert eine "Wie könnten wir...?"-Frage
Überlege ein kleines, spielerisches Experiment, das du nächste Woche starten könntest
Vielleicht entdeckst du dabei, dass deine Ängste in Wahrheit verkappte Innovationsberater sind – sie tragen nur leider oft zu dramatische Kostüme.
Wie der Zen-Meister und heimliche Unternehmensberater Thich Nhat Hanh so schön sagte: "Angst ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr."
Lade deine Angst doch mal zum Tee ein – aber lass sie nicht das Steuer übernehmen!
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