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"Riding the waves of change" - wie wir die Weisheit der Vergänglichkeit für erfolgreiche Führung und Veränderungsmanagement nutzen können

Aktualisiert: 6. Mai



In meiner Arbeit mit Führungskräften begegnet mir derzeit oft eine tiefe Verunsicherung. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein: geopolitische Spannungen, technologischer Umbruch, gesellschaftlicher Wandel, wirtschaftliche Unsicherheit. Viele spüren eine unterschwellige Angst vor dem, was noch kommen mag. Den Wunsch, Kontrolle zu behalten oder wiederzuerlangen.


Doch was, wenn genau hier eine tiefgreifende Weisheit verborgen liegt?


In der buddhistischen Lehre gibt es den Begriff der "Impermanenz" - die fundamentale Erkenntnis, dass alles im steten Wandel begriffen ist. Nichts bleibt, wie es ist. Kein Zustand ist permanent. Auf den ersten Blick mag das beunruhigend klingen. Doch bei näherem Hinsehen liegt darin eine befreiende Botschaft.


Wenn wir akzeptieren, dass Wandel die einzige Konstante ist, können wir aufhören, uns gegen ihn zu stemmen. Stattdessen öffnet sich die Möglichkeit, ihn als natürlichen Teil des Lebens und auch des Wirtschaftens zu begreifen.


Nimm dir mal einen Moment Zeit und frage dich:

  • Wogegen kämpfe ich gerade an?

  • Was könnte geschehen, wenn ich diesem Widerstand mit Neugierde begegne?

  • Welche neue Möglichkeit will vielleicht entstehen?



Was bedeutet das für uns als Führungskräfte?


Lasst uns dazu mal gemeinsam in konkrete Situationen eintauchen, die mir in meiner Beratungspraxis begegnen:


Eine Geschäftsführerin eines mittelständischen Technologieunternehmens teilte kürzlich mit mir: "Nachts liege ich wach und grüble darüber nach, ob unsere Produktstrategie in drei Jahren noch relevant sein wird. KI entwickelt sich so rasant - was, wenn wir den Anschluss verlieren?"


Diese Sorge ist mehr als verständlich. Doch gerade hier zeigt sich die befreiende Kraft der Impermanenz: Keine Strategie, und sei sie noch so brillant, wird ewig Bestand haben.


Stattdessen können wir:

  • Strategieentwicklung als kontinuierlichen Prozess verstehen

  • Experimentierräume schaffen, in denen Teams neue Ansätze erproben können

  • Die Fähigkeit kultivieren, bereits schwache Signale wahrzunehmen und darauf agil zu reagieren


Ein Gründer eines Start-ups berichtete mir kürzlich: "Wir haben gerade eine wichtige Finanzierungsrunde abgeschlossen. Aber anstatt mich zu freuen, macht mir die Verantwortung Angst. Was, wenn ich all diese Menschen enttäusche?"


Auch hier bietet die Perspektive der Impermanenz einen wertvollen Anker:

  • Erfolg wie Misserfolg sind temporäre Zustände

  • Statt sich von der Angst lähmen zu lassen, können wir jeden Tag als neue Gelegenheit zum Lernen begreifen

  • Die Frage "Was, wenn ich scheitere?" verwandelt sich in "Was kann ich aus dieser Situation lernen?"


Eine HR-Leiterin eines internationalen Konzerns ringt mit der Dynamik hybrider Arbeit: "Unsere alte Unternehmenskultur bröckelt. Wie schaffen wir Zusammenhalt, wenn sich alles ständig verändert?"


Hier lädt uns die Weisheit der Impermanenz ein, tiefer zu schauen:

  • Vielleicht geht es nicht darum, die alte Kultur zu "retten", sondern eine neue entstehen zu lassen

  • Der Fokus verschiebt sich von Strukturen auf Beziehungen

  • Neue Rituale können entstehen, die Verbindung auch in hybriden Settings ermöglichen




"Thanks to impermanence, everything is possible." Thich Nhat Hanh





Wie wir die Weisheit der Vergänglichkeit in der Führungsarbeit nutzen können


Loslassen als Führungskompetenz

Statt krampfhaft an Bewährtem festzuhalten, können wir uns fragen: Was will entstehen? Was ist jetzt dran? Das bedeutet nicht, planlos zu agieren. Aber es bedeutet, unsere Pläne als vorläufig zu begreifen und flexibel zu bleiben.


Tipps für die Anwendung:

  • Morgenroutine: Beginnen Sie den Tag mit 5 Minuten Achtsamkeitsübung

  • Führe ein "Unsicherheits-Tagebuch": Was bereitet mir Sorgen? Was davon kann ich tatsächlich beeinflussen?

  • Entwickelt regelmäßige "Szenario-Dialoge" im Team: Was könnte kommen? Wie bleiben wir adaptionsfähig?


Beispiel aus der Praxis: Ein Produktionsleiter eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens, mit dem ich zusammenarbeitete, führte in seinem Führungsteam die "Loslassrunde" ein. Zu Beginn jeder Woche teilte jede Führungskraft eine Sache mit, an der sie bisher festgehalten hatte, die sie nun aber bewusst loslassen wollte – sei es ein nicht mehr funktionierender Prozess, eine überholte Annahme oder eine zu detaillierte Kontrollpraxis.

Die freigewordene Aufmerksamkeit richteten sie dann auf die Frage: "Was will jetzt entstehen? Was ist jetzt dran?" Die Antworten wurden auf einem gemeinsamen Board festgehalten und wöchentlich überprüft. Nach vier Monaten dieser Praxis berichtete der Produktionsleiter von einer bemerkenswerten Transformation: Die Qualitätskennzahlen hatten sich verbessert, obwohl weniger kontrolliert wurde. "Wir haben nicht weniger Struktur", reflektierte er, "sondern lebendigere, situationsangepasste Strukturen, die aus dem Wahrnehmen des aktuellen Bedarfs entstehen."



Präsenz statt Prognose

In unsicheren Zeiten ist der Reflex groß, noch mehr zu planen, noch mehr vorhersagen zu wollen. Die Weisheit der Impermanenz lädt uns ein, stattdessen unsere Wahrnehmung für das Hier und Jetzt zu schärfen. Aus dieser Präsenz heraus können wir situativ kluge Entscheidungen treffen.


Tipps für die Anwendung:
  • Etabliert regelmäßige "Reality Checks": Was nehmen wir tatsächlich wahr (Fakten), statt was wir vermuten oder befürchten?

  • Probiert mal "Presencing Dialoge" nach Otto Scharmer: Gespräche, die nicht von Annahmen, sondern vom gemeinsamen Erkunden ausgehen

  • Nutzen Sie die "Was ist jetzt wichtig?"-Frage als Entscheidungsfilter


Beispiel aus der Praxis: Ein Produktentwicklungsteam, mit dem ich arbeitete, ersetzte seine Quartalsplanungen durch zweiwöchige "Reality Cycles". Statt langfristige Roadmaps zu erstellen, fragten sie sich: "Was zeigen uns die Kundendaten JETZT? Was brauchen unsere Nutzer HEUTE?" Die Produktqualität stieg messbar, und interessanterweise wurden sie paradoxerweise zukunftsfähiger, indem sie aufhörten, die Zukunft vorhersagen zu wollen.



Von der Angst zur Neugier

Wenn wir verstehen, dass Wandel natürlich ist, kann sich unsere Grundhaltung verändern. Statt Veränderung als Bedrohung zu sehen, können wir sie als Einladung zum Lernen und Wachsen begreifen. Was würde sich in eurer Organisation verändern, wenn ihr Unsicherheit nicht als Problem, sondern als Potential betrachtet?


Tipps für die Anwendung:

  • Probiert das "Fear Mapping" aus: Visualisiert gemeinsam Ängste und identifiziert dahinterliegende Bedürfnisse und Werte

  • Übe das "Angst-Reframing": "Ich bin besorgt, weil..." wird zu "Ich bin besorgt, weil mir wichtig ist..."

  • Entwickelt "Mikro-Experimente" um auf Veränderung zu reagieren: Kleine, risikoarme Tests neuer Ansätze mit schnellem Feedback


Beispiel aus der Praxis: Eine Führungskraft in der Finanzbranche, mit der ich arbeitete, führte "Neugier-Journale" für ihr Managementteam ein. Jede Woche dokumentierten die Führungskräfte eine Situation, die sie verunsicherte, und formulierten drei neugierige Fragen dazu. Nach drei Monaten berichteten 80% der Teilnehmenden von einem fundamentalen Shift: Sie erlebten Veränderungen nicht mehr primär als bedrohlich, sondern als interessante Entwicklungsfelder.




Ein persönlicher Gedanke zum Schluss: Vielleicht liegt gerade in der Akzeptanz der Unbeständigkeit ein Schlüssel zu mehr innerer Stabilität. Wenn wir aufhören, gegen den Wandel anzukämpfen, setzen wir Energie frei - Energie, die wir nutzen können, um achtsam und kreativ mit dem umzugehen, was ist und was werden will.


Beginnt eure nächste Strategiesitzung vielleicht mal mit einer ungewöhnlichen Frage: "Wenn wir davon ausgehen, dass sich alles wandelt - was gibt uns dann Kraft und Orientierung?"

Die Antworten könnten euch überraschen. Oft liegt in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit Unsicherheit der Keim für neue Stabilität.


Impuls zur persönlichen Reflexion: Wenn du heute Abend nach Hause kommst, nimm dir einen Moment und fragen dich:

  • Welche Veränderung in meinem beruflichen Umfeld macht mir am meisten zu schaffen?

  • Was würde sich ändern, wenn ich diese Veränderung als Lehrer betrachte?

  • Welche neue Fähigkeit will vielleicht durch diese Herausforderung in mir wachsen?


Die Kunst der zukunftsfähigen Führung liegt vielleicht genau darin: Nicht im Kampf gegen die Vergänglichkeit, sondern in der Fähigkeit, im Fluss der Veränderung neue Möglichkeiten zu erkennen und zu gestalten.


 
 
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